Susanne (Sue) Glanzner
Autorin, freie Texterin

Blog:


2019-08-07

Ich bin aus Versehen auf ein Prinzessinnenherz getreten - Eine Reparaturanleitung

Ladies, kennt ihr das?
Wenn einfach jemand, ohne zu fragen, auf euer Herz tritt?
Klar, ich höre jetzt schon die empörten Stimmen des anderen Geschlechts:
“Booooh…das machen Frauen bei Männern auch.”
Stimmt.
Allerdings gehen Männer anders damit um.
Meistens zumindest.
Sie betrinken sich einfach.
Vielleicht besprechen sie “den Fall” noch mit einem Kumpel.
Und dann gehen sie ihrem Tagesgeschäft nach.
Vergessen den Stress.
Vielleicht auch die Zicke, die ihn angezettelt hat.
Suchen sich ne Neue.
Oder auch nicht.

Wir Frauen sind da ja anders.
Natürlich.
Bei uns ist das alles ein bisschen komplexer.
Wir schrecken nicht mal davor zurück, uns nach so einer Herzattacke selbst in Sackgassen zu manövrieren.
Sackgassen, aus denen wir nie wieder heraus kommen.
Warum?
Na, weil uns unser Stolz im Weg steht.

Vereinfacht - damit auch Männer das verstehen - kann man das etwa so darstellen:
Der Typ, dem Prinzessin aktuell den Heiligenschein aufsetzt, tritt ihr ordentlich aufs Herz.
Weil er etwas total bescheuertes macht.
Oder etwas epochal blödes sagt.
Vielleicht auch, weil er gerade in dem Moment, in dem er etwas sagen sollte, nichts sagt.
Oder umgekehrt.
Gründe für gequetschte Prinzessinnenherzen gibt es viele.
Zumindest weit mehr, als Prinzen sehen und verstehen.
Das ist mal klar.
Soweit wissen das sogar Männer.
Was aber danach passiert, ist ziemlich kompliziert.
Die Prinzessin nämlich, will ja Prinzessin sein, aber keine Zicke.
Was tut sie also?
Genau: Sie zickt nur latent rum.
Weil sie denkt: “Dann merkt er, dass ich gekränkt bin, ich muss es aber nicht direkt sagen.”
Blöd ist nur: Der merkt gar nix.
Vielleicht merkt er gerade noch, dass sie ziemlich angepisst ist.
Aber warum?
Keine Ahnung.
Die sagt ja nix.
Und wenn sie nix sagt, kann’s ja nicht an ihm liegen.
Vielleicht hat sie ihre Tage.

So sicher wie das Amen in der Kirche setzt an dieser Stelle Teil zwei des Dilemmas ein.
Dass der Typ nix merkt ist für sie nämlich gleichbedeutend mit:
Es ist ihm scheißegal.
Und damit…
Trommelwirbel…
…genau: tritt er schon wieder auf ihr Herz.
Mitten rein.
Und langsam tut es echt weh, weil er immer auf die gleiche Stelle tritt.
Mit letzter Kraft versucht die Prinzessin Haltung zu bewahren.
Höchstens kurz auf dem Klo heulen.
Aber auf jeden Fall die Zickenhörner weiter im Zaum halten.
Und sie packt schon mal.
Ihre Sachen.
So, dass er es sieht.
Für den Fall, dass sie bei ihm zu Besuch ist, antwortet sie auf seine Frage (falls die kommt):
Sie wolle nach Hause.
Für den Fall, dass sie bereits ein gemeinsames Zuhause haben, antwortet sie:
a) zu Mama, b) zur besten Freundin, oder c) einfach “weg”.
Weil sie denkt, dass er dann doch merken muss, dass es ihr wirklich gar, gar, gar nicht gut geht.
Weil ihr Herz weh tut.
Schließlich tritt er dauernd drauf.

Falls er wiederum wahnsinnig einfühlsam ist, kann sie sich glücklich schätzen, wenn er ein einfaches “Okay.” vielleicht noch gegen ein “Warum?” eintauscht.
Kurze Hilfe für die Herren:
“Okay.” heißt für eure Prinzessin: “Alles klar. Dann hau ab. Mir doch egal.”
Das ist gleichbedeutend mit einem vorsätzlichen Herzbruch durch Desinteresse an ihrer Person.
“Warum?” könnte die Sache noch retten.
Könnte.
Eigentlich.
Doch leider, leider… schauen wir Frauen einfach zu viele Kitschfilme, in denen Männer sich vor Züge werfen, Flugzeuge stoppen und Schiffe versenken, nur um die Angebetete aufzuhalten (oder ihr Taschentücher zu bringen).
Unrealistisch?
Klar.
Wissen wir.
Aber es ist uns egal.
Denn in Phase zwei des getretenen Herzens, schaltet unser Romantikzentrum auf Autopilot und das Gehirn gleich ganz ab.
Heisst: Sie muss ihre Abreise jetzt durchziehen.
Koste es, was es wolle.
Es ist nicht so, dass sie abreisen will.
Nein.
Wirklich nicht.
Sie will eigentlich nur, dass man(n) sie aufhält.
Das aber bitte nicht nur ein Mal.
Zwei Mal ist auch total inakzeptabel.
Drei oder vier Versuche dürfen es schon sein.
Plus eine Entschuldigung.
Plus ein paar Liebesschwüre.
Plus Abendessen.
Ein Geschenk.
Oder zwei.
Und - ganz wichtig - ein Kuss, bei dem man(n) ihr Gesicht in die Hände nimmt.
Warum wir darauf abfahren?
Keine Ahnung.
Das hat irgendwas mit beschützt werden wollen zu tun, glaube ich.
Ist irgend so ein Romantikding aus amerikanischen Kitschfilmen.

Jedenfalls ist die Idee, dass ein Mann das alles wirklich tun sollte, ziemlich…sagen wir…
…blöd?
So könnte man es wohl nennen.
Der denkt sich nämlich eher “Boah, was ist denn jetzt eigentlich los? Jetzt will die weg, oder was? Naja gut, ich kann sie ja nicht aufhalten…”
(FALSCH!!)
“…,also bin ich wenigstens nett und fahre sie zum Bahnhof.”
(AAAAAAAAAAAAAAHHHHHH!!! NOCH FALSCHER!)

Und damit tritt Phase drei in Kraft:
Jetzt sitzt sie im Auto und kann ihre Tränen fast nicht mehr kontrollieren.
Denn es ist nicht nur so, dass der Trottel ihr aufs Herz tritt.
Nein.
Jetzt ist es ihm auch noch so egal, dass er sie wirklich verletzt hat, dass er sie auch noch zum Zug bringt, weil es ihm obendrein auch noch egal zu sein scheint, dass sie geht.
Puh.
Und er?
Checkt das alles nicht, aber lässt ihr halt ihren Willen, um es nicht noch schlimmer zu machen.
Zudem er ja nicht mal weiß, was “es” eigentlich ist.
Aber danach zu fragen hat er ja schon lange aufgegeben.

Was ihr bisher nicht wusstet, Männer:
Spätestens im Zug heult sie wie ein Schlosshund.
Die Prinzessin hat jetzt nämlich nicht nur ein dreifach getretenes und beinahe schon gebrochenes Herz.
Erschwerend kommt hinzu, dass sie sich fühlt, als hätte ihr Prinz sie gerade weggeschickt.
Bitte?
Sie wollte doch selbst weg?
Ja, das mag nach außen so ausgesehen haben.
Vielleicht hat es auch so geklungen.
Weil sie es gesagt hat.
Vier Mal.
Aber man(n) hätte sich ja auch die Mühe machen und ein fünftes Mal nachfragen können.
Dann hätte sie nämlich vielleicht eingeräumt, dass ihr Herz weh tut.
Weil man(n) aus Versehen drauf getreten ist.

Stattdessen sitzt sie jetzt im Zug oder sonstwo, heult sich die Augen aus dem stolzen Kopf und ist sich zu mindestens zweihundert Prozent sicher, dass diese Beziehung keine Zukunft mehr hat.
Und er?
Genau: Er ruft seinen Kumpel an.
Fragt ihn, ob er Bock auf ein Bier hat.
Weil seine Freundin spontan weggefahren ist und er deshalb heute Zeit hat.
Dann könnte man auch gleich mal wieder ne Runde Tischkicker spielen.
Eh viel zu lange nicht gemacht.

Ich bin sicher, ihr erkennt das alles wieder.
Und euch selbst.
Ich mich auch.
Ich mache dauernd so nen Scheiß.
Bei meinem Exfreund bin ich, glaube ich, zweiundzwanzig Mal aus- und wieder eingezogen.
Warum?
Keine Ahnung.
Kleinigkeiten: Fernsehprogramm, keine Chips mehr da, Bett nicht gemacht.
Was weiß ich?
Allerdings muss man ihm lassen: Er hatte das im Griff.
Spätestens nach dem vierten Mal wusste er genau, worauf es ankommt und was er wann sagen oder tun musste.
Chapeau.
Manchmal wusste er das besser als ich selbst.
Geheiratet haben wir trotzdem nicht.
Könnte sein, dass er auch ganz froh darüber ist.
Denn es ist nicht so, dass wir Prinzessinnen danach nicht auch sehr genau wissen, wie anstrengend wir sind.
Und es tut uns meistens unendlich leid.
Sagen können wir das natürlich nicht.
Wir hoffen nur, dass er es irgendwie cool findet, dass wir manchmal anstrengend sind.
Langweilig ist ja auch doof.
Zumindest denken wir das, wenn wir uns wieder mal eine Herzattacke schönreden wollen.

Wahrscheinlich sollte ich an dieser Stelle um Verständnis bitten.
Aber das wäre etwa so, als würde ich Eltern um Verständnis für ihre pubertierenden Kinder bitten.
Im Kopf wissen wir alle, dass das irgendwas mit Hormonen zu tun hat.
Und dass sie eigentlich nix dafür können.
Aber es geht uns trotzdem unfassbar auf die Nerven wenn wir mittendrin stecken.

Was ihr nur wissen müsst, Männer:
Wir Frauen wollen alle irgendwie Prinzessin sein.
Die, die sagen, sie wollen das nicht, die lügen bestimmt.
Oder sie sind Alice Schwarzer.
Und ich weiß, dass ihr manchmal gar nicht mitbekommt, dass ihr auf unzählige Herzen tretet (wie auch?).
Aber ihr tut es.
Und Prinzessinnenherzen sind nicht nur sehr stolz, sondern auch wahnsinnig schmerzempfindlich.
Ihr könnt das ruhig glauben: Manchmal tut es uns richtig körperlich weh.

Also, versucht zu retten, was zu retten ist und fragt nach, wenn ihr merkt, dass sie packt.
Denn was ich euch versprechen kann:
Ein Mann, der Prinzessinnenherzen reparieren kann, wird schneller König, als er “fertig!” rufen kann.
Sogar, wenn er selbst immer wieder drauf tritt.
Wichtig ist nur, dass er es wieder repariert.

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Admin - 11:51:42 @ Frauen und Männer | Kommentar hinzufügen


 
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